Donnerstag, 6. November 2008

Fürs Archiv

Lieber Liechtensteiner,

danke dafür, dass Du den Fernseher für mich spielst. Bevor ich für eine Weile abschalte, noch einmal zurück zu Deiner Alternativen-Bösartigkeits-Bibliothek: Nehmen wir auch Restaurant-Kritiken? Da hätte ich eine ganz schöne über Ernst Theoder Amadeus' H.s Stammpinte am ehemaligen Platz der Akademie. Darin kommen zum Beispiel solche Sätze vor:

"Das Püree jedoch erweist sich in seiner Konsistenz leider als eine Art Kellenputz, weil offensichtlich festkochende Kartoffeln statt einer mehlig kochenden Sorte dafür Verwendung fanden. Es ist geschmacklich neutral, ohne Schmelz am Gaumen und daher viel zu trocken, um der kräftigen Blutwurst den notwendigen Begleitservice angedeihen zu lassen."

Wie infam! Ein festgekochtes Püree, dass die edle Blutwurst nicht angemessen begleitet. Das hat sie wahrlich nicht verdient. Aber damit nicht genug:

"Unser Rieslingsekt, Hausmarke "Lutter und Wegner" (0,1 Liter 4,50 Euro), schmeckt süß und bitter - offensichtlich ist er aus kräftig oxidierten Grundweinen komponiert worden. Am Gaumen stellt sich nur ein brackiger Geschmack ein, nicht aber die fruchtig-frische, expressive Dynamik eines schäumenden Rieslings."

Wenn ich mir für einen Fingerhut Schaumweins 4 Euro fuffzich abknapsen müsste, wäre ich allerdings auch verärgert über brackigen Geschmack. Muss eine bittersüße Erfahrung gewesen sein, das Zeug zu saufen. Das Hauptgericht allerdings kommt erst noch:

"Der Sauerbraten "Berliner Art" (18 Euro) ist laut Karte der erste Preisträger des deutschen Sauerbratenwettbewerbs 2003. Das kann natürlich sein, trifft aber kaum für das vor uns stehende Exemplar zu. Sein trockenes, faseriges Fleisch zerbröselt auf der Gabel. Essig ist präsent, nur nicht im Fleisch. Er sticht aus der süßen Sauce hervor, die mit merkwürdig dominanten Himbeeraromen Störfeuer gibt. Glitschiger, lieblos zubereiteter Rotkohl verdirbt jeden Spaß."

Ich wette, wenn wir beide am Sauerbratenwettbewerb 2003 teilgenommen hätten, wäre das faserige Stück Aas maximal auf Platz drei gelandet. Zum Schluss das Dessert, ein Apfelstrudel à sieben Euro das Stück:

"Die völlig amorphe Apfelmasse wird mit reichlich Stärke in Form gehalten, und die Vanillesauce dazu schmeckt wie kalt angerührt. Das Ambiente in Ehren, aber hier haben wir es nicht mit einem Tagestief zu tun, sondern mit einem strukturellen Problem. Es ist hausgemacht. Genau wie der Apfelstrudel."

Ich bin mir nicht sicher, ob es sich bei den Verfassern dieses Urteils, den Herren Fabian und Cornelius Lange (Brüder oder Eheleute?), tatsächlich um Gourmets handelt oder doch eher um Schutzgelderpresser. Da das betroffene Etablissement aber offenbar sowieso eher Opfern der Finanzkrise zu Diensten steht als uns (ein kleines [!] König Pilsener [!] vier [!] Euro), ist es mir eigentlich ziemlich wurscht. Gern gelesen habe ich diesen Feinschmeckerschmarren (den es leider nicht zu verlinken gibt) trotzdem.

Mahlzeit, Dein Magenbitter

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